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Tour nach Tschernobyl

 

Eine Reise an einen absolut verlorenen Ort in der Ukraine an der Grenze zu Weissrußland. Ein Besuch in Tschernobyl und Prypjat, 33 Jahre nach dem Nuklearunglück.

 

Inhalt

Radioaktivität

Vorbereitung auf diese Reise

Um den havarierten Reaktor von Tschernobyl befindet sich ein 30 km breiter Sperrbezirk, der streng bewacht wird. Ein Zutritt in diese Zone ist als Einzelreisender nicht möglich; hinein kommt nur, wer eine Genehmigung hierfür hat und wenn ein zugelassener Reiseführer dabei ist. Somit ist es nötig, sich mit einem spezialisierten Reiseveranstalter in Kiew in Verbindung zu setzen. Dies sollte rechtzeitig erfolgen, mindestens aber 10 Tage vorher – solange dauert nämlich die Genehmigung für den Zutritt der Sperrzone. Eine noch frühere Anmeldung ist anzuraten, da die Veranstalter auch nur beschränkte Kapazitäten haben. Die freien Termine sind aber auf deren Homepageseiten ersichtlich.

Die Angebote der Touranbieter in Kiew sind ähnlich, der Preis für einen Tagesausflug ab Kiew beträgt ca. 100 US$, zahlbar bei Buchung mittels Paypal. Eine Kopie des Reisepasses muss per Email übersandt werden.

Abfahrt ist frühmorgens je nach Anbieter in der Nähe des Hauptbahnhofes oder des Maidan. Deshalb ist es ideal, wenn man sich hier in der Nähe ein Hotel bucht.

Manche Touranbieter fahren mit Reisebussen, andere mit Kleinbussen (Mercedes Sprinter). Zweite sind zu bevorzugen, da die Örtlichkeiten meist sehr eng sind und viele Leute an einem Ort sich gegenseitig behindern. Die Touren mit den Kleinbussen (meist mehrere eines Veranstalters) fahren unterschiedliche Routen, so dass man sich nicht ins Gehege kommt.

Auf dieser Tour ist es innerhalb des Sperrbezirks verboten, zu essen, trinken, rauchen, sich im freien hinzusetzen, hinzuknien, irgendwelche Pflanzen oder andere Gegenstände zu berühren. Man sollte es tunlichst vermeiden zu stolpern und hinzufallen, bei verlassen des Sperrbezirks wird eine Ganzkörpermessung auf Radioaktivität vorgenommen und unsere Reiseleitung sagte, dass schon Leute ohne ihre Hose zurück in das Hotel gebracht wurden.

Es gibt auch ein einfaches Hotel in Tschernobyl und es sind auch mehrtägige Ausflüge möglich, allerdings gilt von 22.00-6.00 Uhr eine Ausgangssperre.

Mittagessen ist bei eintägigen Touren im Preis inklusive, in diesem Hotel stehen 3 Gerichte zu Auswahl. Fotografiert werden darf innerhalb des Sperrgebiet alles, außer den Kontrollen am Eingang und Ausgang. Zum Fotografieren sollte ein lichtstarkes Weitwinkelobjektiv zur Verfügung stehen, ich habe alle Fotos mit einem  17-50 mm, Anfangsblende 2,8 Zoom gemacht, da alles eng und in den Innenräumen dunkel war.

Auch Drohnenaufnahmen sind erlaubt, allerdings kostet die Genehmigung hierfür ca.250 Euro.

Auch können bei den Reiseveranstaltern Autos mit Fahrer ( die auch Führer sind) gemietet werden. Mitfahren können bis zu 4 Personen, Kosten ca. 400 US$, was somit auch nicht teuerer wäre, als mit einer Reisegruppe.

Entsprechende Veranstalter findet man ohne Probleme im Internet bzw. können auch bei den gängigen Hotel- und Flugreservierungsseiten mitgebucht werden.

Ist die Radioaktivität für Besucher bedenklich?

Von den Veranstaltern und auch glaubwürdigen Seiten im Internet wird die Aussage gemacht, dass bei einem achtstündigen Aufenthalt im Sperrgebiet von Tschernobyl ungefähr der gleiche Menge an Radioaktivität aufgenommen wird, wie auf dem Flug von Deutschland nach Kiew.

Sicher, es gibt einige Stellen, die eine sehr hohe radioaktive Strahlung aufweisen. Diese Stellen sind jedoch bekannt und eine entsprechende Beschilderung warnt vor diesen Stellen.

Bei Besichtigung von Orten, die eine höhere Radiaktivität aufweise, wird darauf hingewiesen und die Dauer des Aufenthalts zeitlich beschränkt.

Um ganz sicher zu gehen, kann für einige Euro ein Dosimeter ausgeliehen werden, welches vor der gefährlichen Gammastrahlung warnt. Bei einem Alarm tut man gut daran, sich einige Meter zu entfernen und meist ist dann alles wieder im grünen Bereich.

Was gibt es zu sehen?

Hier beschreibe ich die Tour, die ich unternommen habe. Diese ist ähnlich zu Touren von anderen Veranstaltern, es gibt viel zu sehen. Vor allem wenn sich viele Leute im Sperrgebiet aufhalten, wird ein anderer Ort besucht, zu sehen gibt es viel. Dies ist nur ein Anhaltspunkt, was einem erwarten könnte.

Der Sperrbezirk rund um das havarierte Atomkraftwerk öffnet gegen 10 Uhr. An der Sperre zeigt man den Reisepass und die Genehmigung für die Besichtigung vor, die  beim Einstieg in Kiew verteilt wurde. Ohne Reisepass oder Genehmigung kann man gleich wieder umkehren. Fotografieren ist hier streng verboten, gibt nur eine Menge Ärger. Ist auch verständlich, dass die Amtspersonen, die dort tätig sind, eine gewisse Abneigung dagegen entwickelt haben. Hier gibt es noch die Möglichkeit, eine Toilette zu besuchen. Viel Auswahl hat man nicht auf dieser Tour, auch wenn hier die Örtlichkeiten zu wünschen übrig lassen, sollte man sie nützen.

Tschernobyl

Kurz nach dem passieren des Sperrbezirks kommt der Ort Tschernobyl, nach dem das Atomkraftwerk bei uns im Weste bekannt ist. Es wird ein kurzer Halt beim Ortsschild gemacht.

Ortschild Tschernobyl

 Das Atomkraftwerk liegt jedoch nicht in Tschernobyl, diese Stadt ist nur die Hauptstadt des Verwaltungsbezirks (so etwas wie bei uns der Landkreis). Das Atomkraftwerk liegt ungefähr 20 Km weiter in der Stadt Prypjat.

Am Ortsrand liegt ein kleines Museum, in dem Informationen über das Unglück und Informationen über den Reaktor ausgestellt sind. Bemerkenswert sind die außen angebrachten Gemälde, die eine Reaktorexplosion inmitten eines Schwarms von Störchen darstellt (die Bedeutung soll sein, dass hier keine Babys mehr geboren werden)

Hinter dem Museum sind die Ortsschilder von allen Gemeinden aufgereiht, die aufgeben wurden oder eingeebnet wurden.

Direkt daneben ein Denkmal des Engels mit der Posaune (nach der Johannesoffenbarung-Die Öffnung des siebten Siegels, der dritte Engel).

Zitat: „Und der dritte Engel blies seine Posaune; und es fiel ein großer Stern vom Himmel, der brannte wie eine Fackel und fiel auf den dritten Teil der Wasserströme und auf die Wasserquellen. Und der Name des Sterns heißt Wermut. Und der dritte Teil der Wasser wurde zu Wermut, und viele Menschen starben von den Wassern, weil sie bitter geworden waren.“

Übrigens: die Übersetzung von Tschernobyl auf deutsch ist “Wermut”

Tschernobyl ist übrigens noch bewohnt. Für die stillgelegten Atomkraftwerke werden noch 4000 Beschäftigte zur Abwicklung gebraucht, die hier wohnen. Es wird im 2 Rhythmus von 2 Wochen rotiert. Jeweils 2000 Leute arbeiten 2 Wochen, dann werden sie von den anderen 2000 Leuten abgelöst und fahren nach Hause.  Es ist ihnen verboten, selbst etwas zu essen zuzubereiten, sie werden in Kantinen versorgt. Hier befindet sich auch das Hotel für mehrtägige Aufenthalte und das Restaurant für die Verpflegung der Besucher für das Mittagessen.

Wie schon gesagt, gilt in Tschernobyl ein Ausgangsverbot von 22 Uhr bis 6 Uhr.

Die mit dem Dosimeter gemessene radioaktive Belastung am Boden war entsprach fast natürlichen Normalwert.   

Duga

Einige Kilometer weiter befindet sich in einem Waldgebiet ein verlassene sowjetische Kaserne mit einer 150 m hohen Radaranlage. Diese war früher streng geheim und hatte den Namen Duga, der übersetzte Namen lautete Specht.

Radaranlage Doga Tschernobyl 3

Dieser Name rührt daher, dass das verwendete Kurzwellensignal sich anhörte, wie das klopfen eines Spechtes. Dieses Signal störte den Kurzwellenempfang damals erheblich. Bei der Radaranlage handelte es sich um einen Überhorizontradar und konnte den Anflug von Raketen registrieren. Dieser Radar war Teil des Raketenabehrprogramms der Sowjetunion. Es gab zwei weitere Anlagen dieses Typs: am schwarzen Meer und in Wladiwostok, womit der gesamte Luftraum über der USA überwacht werden konnte.

Die Anlage war bis Anfang der 90er Jahre in Betrieb und wurde dann aufgegeben. Besichtigt werden kann die Radaranlage und die Kaserne. Die mit dem Dosimeter gemessene radioaktive Belastung am Boden war gering.

Kindergarten Kobachi

Dieser ehemalige Kindergarten liegt nur 3-4 km vom havarierten Atomkraftwerk entfernt, entsprechend hoch ist auch heute noch die messbare Radioaktivität. Mit dem Dosimeter gemessen beträgt sie am Boden dem 50 fachen des Normalwertes, an einzelnen  Stellen noch wesentlich mehr.

Dementsprechend wurde vom Führer unserer Gruppe die Aufenthaltszeit mit 15 Minuten festgesetzt.

Kindergarten Kobachi 7

Hier wurde alles stehen und liegen gelassen, wie es war. Im inneren stehen noch die Kinderbetten, das Spielzeug liegt noch herum Ein bedrückender und trauriger Ort.

Kindergarten Kobachi

Nur wenig entfernt von diesem Kindergarten hat man einen Überblick über die gesamte Anlage. Ganz links die Reaktoren 1-4, mit dem Unglücksreaktor 3, ganz rechts die im Bau befindlichen Reaktoren 5 und 6. Die Baukräne sind inzwischen instabil und stürzen ein.

Panorama Atomanlage Tschernobyl

Das Ortsschild von Prybjat

Die Ortschaft Prybjat wurde erbaut, um für die Beschäftigten des Atomkraftwerks und deren Angehörigen Wohnraum zu schaffen. Die Stadt wurde für 80.000 Einwohner geplant, zum Zeitpunkt des Unglücks wohnten dort ca. 50.000 Einwohner.

Ortsschild Prypjat

Das Ortsschild von Prybjat liegt in der Nähe des am stärksten verstrahlten Gebietes. Hier in der Nähe liegt der rote Wald. Hier waren die radioaktiven Niederschläge so hoch, dass der Wald nach 3 Monaten abstarb. Die abgestorbenen Bäume wurden gefällt und liegengelassen. Kein Baum der hier wächst, ist wesentlich älter als 30 Jahre. Die Bäume die gefällt wurden und das Laub, das herunterfällt, verfaulen nicht, da die Kleintiere und Mikroorganismen im Boden geschädigt sind.

Direkt am Ortsschild und auf der geteerten Strasse ist die radiaktive Strahlung sehr niedrig, aber schon am Seitenstreifen der Straße  zeigt das Dosimeter den hundertfünfzigfachen Wert der natürlichen Straße an. Zusätzlich gibt es hier abseits der Straße viele Stellen, die vor extrem hoher Radioaktivität warnen.

Radioaktiv

Aufenthaltsdauer war nach Anweisung 5 Minuten.

Tschernobyl 3, der Unglücksreaktor

Über den zerstörten Reaktor 3 wurde ein Sarkophag gebaut, der eine Lebensdauer von 100 Jahren haben soll und die entweichende Radioaktivität vermindern soll.

Direkt vor der Reaktorruine ist der Strahlenwert  um das 10 fache erhöht. Das fotografieren des Atomkraftwerkes ist übrigens verboten, nur das direkt davorstehende Denkmal darf fotografiert werden. Dies wird durch überall angebrachte Kameras überwacht. Unsere Führung bat darum, keine Fotos hinter dem Denkmal zu machen und nur in Richtung Denkmal zu fotografieren, da er sonst Schwierigkeiten bekommen würde. Was diese Regelung für einen Sinn macht, ist mir nicht klar.

Block 4 Reaktor Tschernobyl

Prybjat

Die Stadt Prybjat wurde 2 Tage nach dem Atomunglück evakuiert. Die Strahlung war damals so hoch, dass diese nach 5 Tagen tödlich gewesen wäre.

Die Stadt liegt im inneren Bereich des Sperrgebietes, hier muss nochmals ein Kontrollposten passiert werden.

Innerster Sperrbezirk Prypjat

Überall in der Stadt stehen hohe Bäume, es sieht aus, als hätte jemand einzelne Gebaüde mitten in den Wald gebaut. Nach einer kurzen Fahrt in das Zentrum beginnt ein Rundgang zu Fuß.

Sportzentrum und Hallenbad

Erstes Ziel ist das Sportzentrum. Sehenswert ist die große Basketballhalle, in welche durch Gebäudeschäden überall schon Wasser eintritt.

Basketballhalle Prypjat 2

Ein Stück weiter ist das Hallenbad, das olympische Abmessungen hat. Dieses war noch einige Zeit nach dem Reaktorunglück in Betrieb und diente den dort mit der Abwicklung tätigen Personen und Liquidatoren zur Erholung. Schluss war erst als jemand zuviel Wodka getrunken hatte und vom Sprungturm fiel und dabei zu Tode kam. Ab diesem Zeitpunkt war Schluss.

Schwimmhalle Prypjat

Mittelschule Nr. 2

Direkt daneben ist die Mittelschule Nr. 2. Auch dort ist die Einrichtung noch wie von gestern. Zu plündern gab es dort nicht viel, die Bänke und Stühle stehen noch herum und Bücher liegen noch auf den Bänken

Mittelschule Nr. 2 Prypjat 9

Fußballstadium und Kirmes

Das Fußballstadium war ganz neu und sollte aus Anlass der Feierlichkeiten am 1 Mai eröffnet werden. Vier Tage vorher diesem Termin kam es zu dem Unglück. Dort wo damals das Spielfeld war, wächst heute ein Wald.

Sportplatz Prypjat

Nebenan sollte am 1 Mai eine Kirmes stattfinden. Hier steht noch heute das Riesenrad, die Schiffschaukel, das Kettenkarussell und der Autoskooter. Hier wurde alles stehen und liegen gelassen und die Flucht ergriffen.

Autoscooter Prypjat 2Riesenrad Prypjat

Kulturzentrum Energetik, Hotel Polyssia, Wohnhaus

Anschließend geht es vorbei am Kulturzentrum Energetik. Hier waren für die Konferenzräume für Veranstaltungen, Räume für Theater- und Musikvorführungen und nebenan das Hotel Polyssia. Das Kulturzentrum und das Hotel waren immer gut besucht, da Prybjat nicht nur eine Stadt zum Arbeiten war, sondern auch ein Urlaubsort. In Prybiat ging es den Leuten besser als in Moskau, hier gab es vieles, was es im ganzen Land nicht gab; das zog auch die Leute von nah und fern an.

Kulturpalast Energetik 2

Hotel Polyssya

Zum Abschluss gibt es noch ein Mehrfamilienhaus zu besichtigen. Im Erdgeschoß ist noch eine Liste der ehemaligen Bewohner zu sehen, ansonsten ist von den Wohnungseinrichtungen nicht mehr viel vorhanden, da das meiste geplündert wurde.

Wohnungen in Prypjat 5 Namensschilder an Wohnblock

Ob man einen Besuch dort machen soll? Ich meine ja, auf jeden Fall. Ich war hoch beeindruckt, insbesondere wenn man bedenkt, dass auch so etwas bei uns passieren könnte und bei uns würde es nicht besser aussehen.

Wenn sich die Gelegenheit ergibt, sollte man den Besuch bald machen, lange wird aufgrund der Baufälligkeit der Gebäude es nicht mehr möglich sein.

Mehr Bilder zu diesem Thema finden Sie hier.

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